
Gefahrstoffe sind auf Baustellen sehr zahlreich – und längst nicht immer so offensichtlich wie etwa ein Kanister voll Benzin oder eine Gasflasche. (Bildquelle: stock.adobe.com / Aida)
Gefahrstoffe: Vielfältige Stoffe, vielfältige Gefahren
Was ist eigentlich ein Gefahrstoff? Die Antwort auf diese eigentlich simple Frage zeigt auf, dass es sich um ein hochkomplexes Themengebiet handelt. Gefahrstoffe sind zunächst einmal grundsätzlich alle Stoffe, Gemische und Erzeugnisse, von denen in irgendeiner Form eine Gefahr für- Menschen,
- Tiere,
- Pflanzen,
- Wasser,
- Erde,
- Luft,
- Klima und/oder
- Sachwerte
Schon an dieser Stelle deutet sich die große Vielfalt des Themas Gefahrstoffe an. Wie komplex es tatsächlich ist, zeigt ein umfassender Gefahrstoff-Guide des Spezialanbieters SETON. Dieser befasst sich unter anderem mit dem korrekten Umgang mit Gefahrstoffen, den Regelungen und Richtlinien dazu sowie mit dem richtigen Verhalten im Notfall. Dabei kommt es jeweils auf die Art des Gefahrstoffs an.
Je nach stofflichem Ursprung bzw. Stoffgruppe teilt man Gefahrstoffe in die sogenannte CBRN-Gruppe auf. Die Abkürzung steht für Chemisch, Biologisch, Radiologisch und Nuklear.
- Chemisch: Stoffe, die durch dahinterstehende Prozesse „künstlich“ hergestellt wurden, so also nicht in der Natur vorkommen. Chemische Gefahrstoffe zeichnen sich durch stark unterschiedliche Gefahrenpotenziale aus.
- Biologisch: Stoffe, die natürlichen Ursprungs sind. Insbesondere sind das Bakterien, Parasiten, Pilze, Toxine und Viren. Ihre Gefahrenpotenziale sind weitgehend auf das Auslösen/Fördern von Krankheiten sowie Vergiftungen beschränkt.
- Radiologisch: Sowohl in der Natur vorkommende als auch künstliche Stoffe, die durch die Wirkmechanismen ionisierender Strahlung schädlich wirken – also Radioaktivität.
- Nuklear: Diese sind den „lediglich“ radiologischen Gefahrstoffe zwar ähnlich, verursachen jedoch schwerere Auswirkungen nuklearer Kettenreaktionen. Das sind insbesondere stark strahlende Elemente, die nur durch eine solche Reaktion gebildet werden.
Somit handelt es sich auf der Baustelle vornehmlich um chemische Gefahrstoffe. Dazu gehören allerdings äußerst viele unterschiedliche Stoffe, Gemische und Erzeugnisse – ebenso vielfältig sind die davon ausgehenden Gefahren.

Die meisten Gefahrstoffe am Bau gehören zur Kategorie der chemischen Stoffe. Das macht es jedoch in der Praxis nur schwieriger, da es in dieser Gruppe viele unterschiedliche Vertreter gibt. (Bildquelle: stock.adobe.com / ccke)
Typische Gefahrstoffe auf der Baustelle von Asbest bis Zementpulver
Bereits in den ersten Berufswochen lernt ein Bauhandwerk-Azubi, dass man Zementpulver und alles, was damit zwischen Putz, Mörtel und Beton angemischt wird, keinesfalls mit bloßen Händen anfassen und ohne Schutzbrille handhaben sollte. Denn neben diversen anderen Gefahren ist Zement aufgrund seines hohen pH-Werts stark alkalisch – und somit ähnlich stark ätzend wie beispielsweise Abflussreiniger.Somit sind Handwerker durch ihre Ausbildung, durch Schulungen rund um Arbeitssicherheit, die tagtägliche Routine sowie durch die Arbeitsschutzgesetze zumindest grundsätzlich über „ihre“ Gefahrstoffe und den korrekten Umgang damit informiert.
Private Bauherrn hingegen, insbesondere wenn sie sich als Heimwerker selbst am Bau betätigen, haben dieses Grundwissen meistens nicht, sofern sie keinen entsprechenden beruflichen Background aufweisen. Viele Privatpersonen begeben sich deshalb auf ihrer Baustelle oft in große Gefahr und wissen es nicht einmal. Auf welche typischen Gefahrstoffe bzw. Gefahrstoffgruppen ist also zu achten?
- Alle Zementprodukte: In trockenem und nassem Zustand sind sie ätzend für Haut, Schleimhäute, Augen und Atemwege.
- Alle Stäube: Sie können die Atemwege und Augen reizen, ebenso aber schwerste Erkrankungen wie beispielsweise verschiedene Krebsarten auslösen. Sind Stäube mikrobiologisch kontaminiert, können zudem Infektionskrankheiten auftreten. Außerdem kann es bei allen Stäuben zu Staubexplosionen kommen.
- Epoxidharze: Sie sind insbesondere hautsensibilisierend. Einige Harze können die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Wo das Vermischen mit Härter zu einer exothermen Reaktion führt, drohen Verbrennungen bzw. Verbrühungen bei Berührung.
- Schmier- und Kraftstoffe sowie deren Abgase: Sie basieren meistens wenigstens teilweise auf Erdölderivaten. Dadurch sind sie brennbar und können stark reizende, teils giftige Dämpfe oder Aerosole entwickeln. Insbesondere Dieselabgase können zudem krebserregend wirken.
- Lacke, Farben und Lasuren: Diese Stoffe basieren nicht immer auf Wasser als Lösemittel. Sind dadurch häufig brennbar, hautreizend und mitunter (hoch)giftig.
- Polyurethane: Sie kommen bei Bauschaum, Klebstoffen sowie einigen Lacken und anderen Beschichtungen zum Einsatz. Die Hauptgefahr sind hier die sogenannten Isocyanate. Sie wirken sensibilisierend für Haut und Atemwege – einige sind zudem giftig oder krebsverdächtig.
- Bitumen: Diese Produkte enthalten ebenfalls Erdölderivate und sind dadurch reizend bis giftig.
- Asbest: Dieser Stoff findet sich durch großflächige Verbote seit 1993 nur noch bei Sanierungsobjekten, wurde früher jedoch äußerst umfassend und vielfältig eingesetzt. Gefährlich ist ungebundener Asbest, etwa als Staub. Aufgrund der Härte der Fasern können Lungengewebsvernarbungen sowie langfristig Atemwegs-Krebserkrankungen entstehen.
Sogar die Stäube unbehandelter Harthölzer können krebserregend sein und mit harmlos anmutendem Leinöl getränkte Lappen neigen zur Selbstentzündung.
Die beste Herangehensweise wäre es also, absolut alles zwischen dem Kraftstoff für den zur Grundstücksbereinigung genutzten Freischneider und der Farbe auf dem Türschild hinsichtlich seines Gefahrenpotenzials kritisch zu betrachten.

Vieles auf der Baustelle basiert auf petrochemischen Kohlenwasserstoffverbindungen, also letztlich Erdöl. Das sorgt für ein breites Spektrum an Gefahren. (Bildquelle: stock.adobe.com / aboutmomentsimages)
Gefahrstoffe am Bau: Identifizieren ist praxistauglicher als kennen
Selbst Gefahrstoffbeauftragte, also fachkundige Profis, können nicht allein durch einen Blick auf einen bestimmten Baustoff erkennen, um welchen Gefahrstoff es sich handelt. Dazu sind die Stoffe schlichtweg zu vielfältig – auch deshalb, weil so vieles am Bau ein Gemisch aus mitunter mehreren Gefahrstoffen ist.Eine Grund-Vorsicht ist deshalb zwar immer angebracht. Um Gefahrstoffe jedoch stets in Gänze korrekt zu behandeln, ist es kein ausreichendes Vorgehen. Hierbei hilft es nur, sich weiter zu informieren.
Dazu gibt es das sogenannte Global Harmonisierte System – kurz GHS, in Europa durch den Namen der darauf basierenden Verordnung auch als CLP bekannt. Dabei handelt es sich um ein auch hierzulande gültiges und sehr umfassendes Kennzeichnungssystem. Es nutzt gleichbleibende Codes, Piktogramme und schriftliche Hinweise.
Praktisch jeder Gefahrstoff auf der Baustelle wird entweder auf seiner Umverpackung oder auf einem vom Hersteller bzw. Händler zu beziehenden Datenblatt anhand dieses GHS vollständig hinsichtlich seines Gefährdungspotenzials identifizierbar. Zu diesen vielen Gruppen und Untergruppen gibt es leicht verständliche Übersichtsgrafiken. Sie sind zwar je nach Quelle für Profis gedacht, aber ebenso für Laien schlüssig.
Eine solche Grafik herunterzuladen, sie in vernünftiger Größe auszudrucken, sie zu laminieren und auf der Baustelle griffbereit zu halten, ist schnell umsetzbar. Zusammen mit den GHS-Informationen auf den Baustoffen und Produkten selbst ist es so ein Leichtes, erstens die genauen Gefährdungen zu identifizieren und zweitens dazu passende Verhaltensmaßregeln bzw. Schutzmaßnahmen anzuwenden.

Dichte Handschuhe, Schutzbrille, gegebenenfalls Schutzmaske. Schon mit diesen drei Elementen lassen sich die Risiken vieler Gefahrstoffe erheblich reduzieren. Für einen großen Teil des Rests genügt ein bedachtes Vorgehen. (Bildquelle: stock.adobe.com / Anselm)
Gefahrstoffe und die Baustelle: Allgemeine und spezifische Schutzmaßnahmen
Verschiedene Gefahrstoffe sind buchstäblich „lebensgefährlich“. Die Warnungen davor entspringen also keineswegs einem übertriebenen Sicherheitsdenken. Verharmlosen sollte man hier nichts. Bei einem Blick auf das typische Krankheits- und Unfallgeschehen, zu sehen in den offiziellen Daten der Bau-Berufsgenossenschaft, dann fällt schnell eines auf: Die meisten Erkrankungen, die sich offensichtlich auf Gefahrstoffe zurückführen lassen, beschränken sich auf- Quarzstaub (Hauptquelle am Bau ist Quarzsand, der sehr häufig genutzt wird, wenn generell „Sand“ benötigt wird),
- Benzol (mehrheitlich in Abgasen von Baufahrzeugen und -maschinen) sowie
- Asbest.
Das führt uns erneut zu einigen wenigen allgemeinen Verhaltensmaßregeln, mit denen jeder eine gute Grund-Sicherheit angesichts unterschiedlichster Gefahrstoffe herstellen kann:
- Nichts mit unbedeckter Haut in Kontakt bringen. Falls es doch geschieht, schnell und gründlich mit Wasser und Seife abwaschen.
- Immer Handschuhe tragen, die Flüssigkeiten und feine Stäube gar nicht oder nur langsam passieren lassen. Also Leder oder Kunststoffe. Getränkte Handschuhe entweder vor dem nächsten Einsatz reinigen oder austauschen.
- Beim Vorhandensein von Staub, Rauch, Aerosolen, Dämpfen und Gasen immer einen dazu passenden Atemschutz tragen. Die bekannte Einwegmaske der Schutzklasse FFP-2 oder (besser) FFP-3 ist für vieles ein mehr als ausreichender Grundschutz. Obwohl sie explizit nicht vor Gasen und Dämpfen schützt, dafür aber vor Staub, Rauch, Aerosol und anderen partikelförmigen Schadstoffen.
- Zum Essen und Trinken zumindest ins Freie gehen und dort nur Lebensmittel aus dicht schließenden Behältern konsumieren – etwa Getränkeflaschen mit Schraubverschluss. Vor dem Verzehr Hände und Mundbereich waschen bzw. ausspülen.
- Niemals auf der Baustelle rauchen. Bei Funkenflug und offenem Feuer immer auf brennbare Gefahrstoffe in der Nähe achten und Feuerlöscher griffbereit halten. Ein ABC-Pulverlöscher genügt für die meisten Zwecke.
- Im Ruhezustand bei allen Tätigkeiten eine simple Schutzbrille gemäß DIN EN 166 oder DIN EN 172 tragen – Letztere ergänzt den 166er-Basisschutz um einen Sonnenschutz.
- Kleine Verletzungen auswaschen und nach Trocknung mit rundherum klebenden Wundschnellverbänden abdecken. Herkömmliche Wundpflaster, die an den Seiten offenbleiben, genügen nicht.
- Die Angaben zu Lagerung und Entsorgung beherzigen. Dabei ist zu bedenken, dass Gefahrstoffe nicht zwingend nur für den Menschen eine Gefährdung darstellen.
Was danach noch verbleibt, lässt sich durch Vernunft beim Umgang mit der GHS bzw. CLP-Kennzeichnung abfangen. Das heißt: stets alle Gefahren eines Baustoffs oder anderen Stoffs eruieren und auf dem Etikett oder Datenblatt die dort angegebenen Sicherheitshinweise beherzigen.
Tipp: Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) betreibt eine eigene digitale Stoffdatenbank. Darin können aktuell alle Informationen zu fast 9.000 einzelnen Stoffen kostenlos abgerufen werden.
Bitte hierzu auch Folgendes niemals vergessen: Gefahrstoffe müssen nicht unmittelbar gefährlich wirken. Im Gegenteil, vielfach erfolgt die Wirkung erst über Jahre hinweg. Nur, weil etwas augenscheinlich nicht sofort Schäden nach sich zieht, muss es deshalb keinesfalls harmlos sein.
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