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Thomas Leupin zum Immobilienmarkt in Deutschland

Das Thema Immobilien ist immer aktuell – gerade in großstädtischen Ballungsgebieten gehen die Immobilienpreise in Deutschland derzeit in die Höhe. Kapitalmarktspezialist Thomas Leupin nimmt im Interview mit Immobilien.de ausführlich Stellung zu dieser Entwicklung und erklärt, worauf man beim Immobilienkauf achten sollte.
immobilien.de: Herr Leupin, gibt es zur Zeit eine Immobilienblase in Deutschland?

Thomas Leupin: Gesamthaft betrachtet nein. Auf Ballungsgebiete bezogen besteht aber die Gefahr einer Überhitzung, die zur Zeit noch vom wirtschaftlichen Aufschwung der letzten Jahre getragen wird. In anderen Gebieten Deutschlands kann hingegen von keiner Spekulationsblase gesprochen werden. Ich denke, dass es in Deutschland aber auch Gebiete gibt, die eher von sinkenden Immobilienpreisen betroffen sind. Man denke da an Randgebiete in den neuen Ländern, die mit einem Bevölkerungsrückstand konfrontiert sind.

immobilien.de: Wie unterscheidet sich der Kauf von Immobilien im ländlichen und städtischen Raum?

Thomas Leupin: Deutschlands Immobilienmarkt hat sich vor allem in den letzten Jahren gespalten: Immobilien in Ballungsgebieten (Hamburg, München etc.) und Immobilien in nicht großstädtischen Gebieten. Diese Spaltung ergibt sich aus der Nachfrage: In der deutschen Bevölkerung hat seit 2000 ein Trend zur Rückkehr in größere Städten eingesetzt, der die Nachfrage in diesen Gebieten massiv steigen ließ. Man denke da gerade an Berlin. Zudem ist die wirtschaftliche Stärke Deutschlands ebenfalls ein Faktor, der zumindest für Preisstabilität bei den Immobilienpreisen gesorgt hat. Daraus resultiert in Deutschland eine Zweiteilung bezüglich Preisfindung: In Ballungsgebieten sind die Immobilienpreise überdurchschnittlich gestiegen, wohingegen sie in den anderen Gebieten in den letzten Jahren stabil blieben.

immobilien.de: Welche Vorteile hat der Kauf einer Eigentumswohnung?

Thomas Leupin: Ob Einfamilienhaus oder Eigentumswohnung, ich denke solche Immobilien eignen sich nur für den Eigengebrauch. Also sollte man auch selber darin wohnen. Als Investitionsgut, wie es seit der Wende häufig praktiziert (und von gewissen Finanzinstituten hervorgehoben) wurde, eignet sich so ein Kauf weniger. Denn die Betreuung der Mieter, vorgesehene und auch unerwartete Reparaturen, steuerliche Aspekte, Mietrecht etc. erzeugen Kosten und binden den Käufer zeitlich. Wenn man all dies einrechnet und auch das Risiko eines möglichen Preisrückgangs der Immobilien berücksichtigt, dann ist eine sorgfältige Abwägung der Opportunitäten und Risiken unabdingbar. Sollte man in Mehrfamilienhäuser oder Geschäftsliegenschaften investieren wollen, dann sieht die Sache schon positiver aus.

immobilien.de: Ist eine Anlage in Immobilien sicherer als andere Investments? Wenn ja, weshalb?

Thomas Leupin: Sicher ist gar nichts! Der Kapitalmarkt funktioniert nach dem Prinzip des Risikoaufschlags. Also je unsicherer eine Investition bezüglich ihrer Erfolgschancen ist, desto höher auch die mögliche Rendite im Erfolgsfalle. Immobilien waren bisher immer eine sogenannte sichere Anlage. Als Kapitalmarktspezialist muss ich aber darauf hinweisen, dass es auch bei Immobilien zu einem unerwünschten Werteinbruch kommen kann. Man schaue da nur in andere Länder. Aber auch in Deutschland ist ein solches Szenario möglich, insbesondere dann, wenn die Eurokrise sich weiter entwickelt und das Wirtschaftswachstum in Deutschland aufgrund rückgehender Exporte abnimmt. Dies führt dann nahezu immer zu einem Nachfragerückgang nach Immobilien, was in Preisrückgängen resultiert. Das ist das Risiko, das man bei einer Investition in Immobilien bedenken muss.

immobilien.de: Wie ist die Preisentwicklung von Immobilien in Ballungsgebieten innerhalb Deutschlands (evtl. im Vergleich zu anderen Ländern)?

Thomas Leupin: Wie schon oben beschrieben, muss zwischen Ballungsgebieten und kleineren Städten und Gemeinden unterschieden werden. Die Ballungsräume Hamburg, Frankfurt, Köln, Berlin und München verzeichnen überdurchschnittliche Preissteigerungen, kleine bis mittlere Städte in Deutschland gleichbleibende bis leicht sinkende Immobilienpreise. Betrachtet man Deutschland im europäischen Vergleich, dann stellt man fest, dass in Deutschland im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern in den letzten 10 bis 15 Jahren keine Immobilienblase entstand, also auch nicht platzen konnte. Deswegen wird sich – sofern es zu einem Preisrückgang am Markt kommen sollte – eine Preiskorrektur nach unten auch moderater vollziehen.

immobilien.de: Wie sieht Ihr Fazit aus zum Immobilienkauf in der heutigen Zeit?

Thomas Leupin: Kaufen in Gebieten, die noch keine so große Preissteigerung erfuhren. Aber darauf achten, dass man nicht in einem Gebiet kauft, das „auf dem absteigenden Ast ist“. Also eine Analyse über die wirtschaftliche Situation des jeweiligen Standorts macht absolut Sinn. Möglichst viel fremdfinanzieren über Darlehen mit fester Verzinsung über eine lange Laufzeit. Tilgung freiwillig aushandeln. Dann kann es sehr einträglich werden.

immobilien.de: Wie sehen Sie die Immobilien in Deutschland in 20 bis 30 Jahren?

Thomas Leupin: Hellseherische Fähigkeiten spreche ich mir ab. Unter Ausschluss möglicher Kriege, Umweltkatastrophen und Risiken, die uns heute noch nicht bekannt sind, denke ich, dass der Immobiliensektor in Deutschland ein positive Entwicklung vor sich hat. Wichtig in dieser Betrachtung ist aber vor allem die demographische Veränderung von Deutschland: Das Land wird altern, und zwar massiv. Das ist für mich zuerst einmal ein Risiko. Denn ältere Bürger werden sich in der Regel von ihrem Eigenheim trennen, was bedeutet, dass die Preise im Bereich Einfamilienhäuser eher unter Druck geraten könnten. Aber das Ganze hat ja auch einen positiven Nachfrageeffekt im Bereich Wohnungen oder Altersresidenzen zur Folge. Also als Investor wohl eher in diese Richtung zielen.

Zudem ist Deutschland heute geprägt von Zuwanderung, sei es aus Spanien, Portugal oder auch dem Osten. Diese Leute benötigen Wohnraum. Sie sind anfänglich ökonomisch bescheiden ausgestattet, was zu einer Nachfrage im Bereich von eher günstigen Wohnungen führen kann. Klar, diese Immigration hängt auch stark von der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands ab. Und diese ist nun nicht auf 20 bis 30 Jahre vorherzusehen. Ich denke, es wird in den kommenden Jahrzehnten eine Fülle von Chancen, aber auch Risiken im Immobilienbereich geben. Immobilien – außer man kauft sie für sich, um darin dann auch bis ans Lebensende zu bleiben – sind Güter, die man ebenfalls bewegen kann. Also situationsgerecht kaufen und verkaufen.

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