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Der Widerrufsjoker bei Immobilien-Krediten

Den Widerrufsjoker bei Immobilienfinanzierungen können viele Eigenheimbesitzer ziehen, die nach 2002 eine Baufinanzierung abgeschlossen haben und keinen ordentlichen Widerruf ausgehändigt bekommen haben. Nach Ermittlungen der Stiftung Warentest, die bei Verbraucherzentralen recherchiert hat, könnte das 80 Prozent aller abgeschlossenen Verträge betreffen (Stand: August 2015). Es wird bislang eine Zahl von rund 40.000 fehlerhaft abgeschlossenen Baukrediten genannt.
Was bringt der Widerrufsjoker den Bauherren?

Aufgrund der drastisch gesunkenen Zinsen wären eine Kündigung des alten Darlehens ohne Vorfälligkeitsentschädigung und der Abschluss einer neuen Finanzierung zu deutlich besseren Konditionen möglich. Bauherren und Wohnungs¬käufer haben die Chance, viele Tausend Euro an Zinsen zu sparen. In vielen Fällen können sie sogar auf eine Rückerstattung der Bank hoffen, wenn sie nämlich in den letzten Jahren schon gekündigt und dabei eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt hatten. Der Hintergrund: Bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung beginnt gar nicht erst die 14-Tage-Frist für einen Widerruf, die Verbraucher können jederzeit kündigen - auch Jahre später. Das haben inzwischen etliche Gerichte entschieden, doch Vorsicht: Eine BGH-Entscheidung steht noch aus, auch gab es Gerichte, die den Banken recht gaben. Diese wehren sich, wenn ein Bauherr nach Jahren seinen Vertrag kündigen möchte. Es gibt Aussagen wie die eines Vertreters von der Sparkasse KölnBonn, der es als „unmora¬lisch und unfair“ bezeichnete, wenn die Kunden nun mithilfe des Widerrufsjokers von günstigeren Zinsen profitieren möchten. Doch was war falsch an den alten Widerrufsbelehrungen?

Falsches Widerrufsmuster aus dem Ministerium

Der Gesetzgeber hatte im Jahr 2002 entschieden, dass der Verbraucher auch beim Immobilien¬kredit-vertrag immer ein Widerrufs¬recht hat, vorher war das anders geregelt. Die Neuregelung galt ab dem 01.11.2002. Das Widerrufs¬recht musste nun eindeutig, drucktechnisch deutlich und keinesfalls im Kleingedruckten dem Kunden ausgehändigt werden. Die Banken waren unsicher, wie das auszusehen hat, aber das Bundesjustizministerium griff ihnen großzügig unter die Arme und verfasste eine Muster-Widerrufsbelehrung. Dieses Muster war leider fehlerhaft, was der BGH feststellte (ohne sich in der Sache selbst zu positionieren), und so verfassten die Banken eigene Widerrufsbelehrungen, die ihrerseits fehlerhaft waren. Die gesetzlichen Anforderungen normiert das BGB im § 355, unter anderem muss der Kunde über Rechte und Pflichten belehrt werden. Des Weiteren muss die Widerrufsbelehrung vom Vertrag abgesetzt erkennbar sein, wie sie etwa Versicherungen seit Jahr und Tag als Extrablatt aushändigen. Auch muss der Verbraucher erfahren, dass er anlasslos binnen 14 Tagen kündigen kann, jedoch die Schriftform wählen muss. Darüber hinaus muss der Widerruf den Beginn der Widerrufsfrist explizit benennen. Viele dieser Details fehlen in den Widerrufsbelehrungen zu Immobiliendarlehen, dabei genügt schon das Fehlen eines einzigen Details, damit die Belehrung unwirksam ist.

Wie sollen Kunden den Widerrufsjoker ziehen?

Manche Banken bieten einen Vergleich an, andere sind hartleibig und lassen es auf eine Klage ankommen. Kunden können daher ein neues Angebot für ihre Finanzierung einholen und dann den alten Vertrag kündigen. Eine Vorfälligkeit zahlen sie nicht, wenn die Bank sie verlangt. Die Bank müsste dann klagen. Einem gerichtlichen Mahnbescheid sollten die Kunden widersprechen. Sollte die Bank wirklich klagen, der Verbraucher aber über ein günstigeres Finanzierungsangebot verfügen, dann ist das vor Gericht ein Argument für den ihm entstandenen Schaden. Doch die Bank klagt nicht unbedingt, wenn sie im Vorfeld über die Entschlossenheit ihres Kunden unterrichtet wird. Eine anwaltliche Beratung wäre dennoch hilfreich, allein schon im die alte Widerrufsbelehrung gründlich unter die Lupe zu nehmen. Schwieriger kann es sein, eine schon gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurückzufordern. Hier wird ohne Anwalt wohl nichts gehen.

Autor: Frank Thumbach
http://www.wirtschaft-und-finanzen.net
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